Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Virtual Reality: Das Leben in Krisengebieten

von Oliver Klatt
Das Eintauchen in Virtual Reality verheißt Unterhaltung, Ablenkung, Weltflucht. Dass Systeme wie Samsung Gear VR und Google Cardboard aber auch dazu genutzt werden können, das eigene Bewusstsein für die Probleme anderer Menschen zu sensibilisieren, zeigt „Virtual Reality and Vulnerable Communities“, eine Serie von Dokumentationen, die im Auftrag der Vereinten Nationen entsteht.

Zwei Filme sind bisher aus der Zusammenarbeit der UN mit dem auf Virtual-Reality-Videos spezialisierten Unternehmen Vrse.works hervorgegangen: „Clouds over Sidra“ erzählt aus Sicht eines jungen Mädchens vom Leben in einem jordanischen Flüchtlingscamp. „Waves of Grace“ ist die Geschichte von Decontee Davis aus Liberia, die an Ebola erkrankte, überlebte und heute gegen den Virus immun ist. Beide jeweils knapp zehnminütigen Filme führen dem Zuschauer keine Bilder vor — sie werfen ihn mitten hinein. Betrachtet man die Dokumentationen mit einer VR-Brille, findet man sich an jene Orte versetzt, von denen man sonst nur in der Zeitung liest oder kurze Nachrichtenschnipsel serviert bekommt. Man sieht alles in stereoskopischem 3D, kann sich 360° um die eigene Achse drehen und dadurch jederzeit selbst bestimmen, worauf man seine Aufmerksamkeit richten möchte.

„Es gibt nichts, was zwischen dem Zuschauer und der Story steht“, sagt Creative Director Chris Milk über seine Arbeit mit Vrse.works. Und Filmemacher Gabo Arora, Senior Advisor der UN, beschreibt die Vorteile des Verfahrens wie folgt: „Man kann Menschen damit an Orte transportieren, an die sie sonst niemals hinkämen. Und das ist eine ganz und gar überwältigende Erfahrung.“ Vorurteile verschwinden im Nu, wenn man sich plötzlich neben lachenden Syrern in einer Bäckerei wiederfindet, von neugierigen Flüchtlingskindern umringt wird oder am Bett eines von Ebola infizierten Liberianers steht. Aus Opfern werden Menschen. Aus Nachrichten wird Wirklichkeit. 

Dass „Clouds over Sidra“ mit seinen kurzen Impressionen vom Alltag im Flüchtlingslager beinahe poetisch daherkommt und „Waves of Grace“ in Form eines Gebets präsentiert wird, tut der dokumentarischen Kraft der Rundumfilme keinen Abbruch. Sogar ein mehrmaliges Anschauen lohnt sich, da einem dabei immer wieder Kleinigkeiten auffallen, die man vorher nicht bemerkt hat. Als Zuschauer ist man aktiv an der Auswahl des Bildausschnitts beteiligt – einfach nur, indem man den Kopf dreht. So kann man beispielsweise brav dem Unterricht in einer afrikanischen Dorfschule folgen oder lieber seine Mitschüler studieren. Oder man versucht, in Decontee Davis‘ Gesicht zu lesen, wenn sie am Strand der Liberianischen Küste steht — oder schaut mit ihr gemeinsam hinaus aufs Meer.

Sowohl „Clouds over Sidra“ als auch „Waves of Grace“ funktionieren auch ohne VR-Peripherie in den meisten Browsern. Dann lässt man seinen Blick einfach per Maus oder mit den Pfeiltasten durch die 360°-Videos schweifen. Beeindruckender sind die Dokumentarfilme aber natürlich mit Smartphone und einer VR-Brille. Die Vrse-App kann für Android und iOS heruntergeladen werden. 

GQ Empfiehlt