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Rassismus auf Facebook ist ein Problem der Gesellschaft — nicht nur das einer Plattform

von Johnny Haeusler
Facebook tut zu wenig gegen Rassismus unter seinen Nutzern, das findet nicht nur Heiko Maas. Doch der Vorstoß des Justizministers, daran etwas zu ändern, wird wirkungslos bleiben, glaubt unser Kolumnist Johnny Haeusler. Das Problem lässt sich nur gesamtgesellschaftlich lösen.

Justiziminister Heiko Maas möchte sich Mitte September mit Vertreterinnen und Vertretern von Facebook treffen, um über die Gemeinschaftsstandards des Portals zu sprechen und darüber, dass das Unternehmen „trotz entsprechender konkreter Hinweise rassistische und fremdenfeindliche Posts und Kommentare nicht effektiv unterbindet“.

Facebook nimmt „die Bedenken sehr ernst“ (hier bitte weitere Pressetext-Vorlagen einsetzen...) und freut sich nach eigener Aussage auf den Termin. Ändern wird sich dadurch aber wahrscheinlich gar nichts, da agieren US-Unternehmen erfahrungsgemäß so: Immer schön lächeln und sich auf keinen Fall reinquatschen lassen. Und in Sachen „Free Speech“ (ein Begriff, der nicht völlig gleichbedeutend mit der deutschen „Meinungsfreiheit“ ist) haben die Amerikaner nunmal eine deutlich andere Haltung als die Deutschen.

„Facebook ist kein Ort für Rassismus.“ Sagt Facebook. Da muss man als täglicher Nutzer des sozialen Netzwerks dann doch bitter lachen, denn natürlich ist Facebook sehr wohl ein Ort für Rassismus. Die Masse an menschenverachtenden Äußerungen, Aufrufen zur Gewalt und rassistischen Kommentaren auf Facebook übertrifft einschlägige rechtsradikale Foren.

Wenn sich ein Teil der bei Facebook versammelten Gesellschaft rassistisch äußert, ist das zunächst ein Problem dieser Gesellschaft.

Aber, und das ist ein feiner Unterschied, Facebook ist keine rassistische oder rechtsradikale Plattform. Sondern eine, die allen digital angeschlossenen Menschen, ihren Meinungen und Äußerungen offen steht. Wenn sich ein Teil der bei Facebook versammelten Gesellschaft rassistisch äußert, dann ist das zunächst ein Problem dieser Gesellschaft.

Für Facebook kann die Zunahme rechtsextremer Äußerungen dennoch zum Politikum werden, falls diese auch nur gefühlt Oberhand gewinnen oder die Berichterstattung darüber das Bild des Portals prägen sollte. Bekäme Facebook das Image einer Sammelstelle für Radikale, könnten sich andere Nutzerinnen und Nutzer aus dem Netzwerk zurückziehen. Ein offenes Ohr für die Bedenken der deutschen Politik ist für Facebook also nicht nur moralische, sondern auch geschäftliche Pflicht.

Warum Facebook schneller und eindeutiger gegen Fotos mit nackter Haut als gegen rassistische Äußerungen vorzugehen scheint, diese Frage muss immer wieder gestellt und diskutiert werden. Wie komplex es aber ist, einzelne Kommentare nach den geltenden Facebook-Richtlinien und deutschen Gesetzen zu bewerten und gegebenfalls zu löschen und/oder den Behörden zu melden, das hat Dennis Horn hier schon dargestellt.

Der Vorstoß von Maas ist hübsch, aber wirkungslos.

Zumal viele Kommentare erst im Kontext radikal werden: Der Satz „Schade, dass es nicht mehr waren!“ ist für sich allein betrachtet weder bedenklich noch strafbar. Steht er unter dem Link zur grausamen Meldung über in einem LKW in Österreich gefundene Leichen von Asylsuchenden, wird er dadurch zwar mehr als widerlich, ist aber leider wohl immer noch nicht strafrechtlich relevant.

Und nein, das Beispiel habe ich mir nicht ausgedacht. Ich kann mir so etwas nicht ausdenken. So etwas schreiben Menschen bei Facebook. Deren Timeline man individuell und gesamtheitlich prüfen müsste, um festzustellen, ob ihr Verhalten für eine Anzeige gegen sie ausreicht. Was wiederum aufgrund der schieren Masse eine unmöglich zu bewerkstellende Aufgabe ist.

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Und Heiko Maas weiß das. Wäre es nicht so, dann wäre es für die deutsche Justiz auch leichter, selbst effektiver aktiv zu werden. Und eigentlich müssten wir hinsichtlich rechtsradikaler und rassistischer Kommentare nicht nur über Facebook sprechen, sondern auch über YouTube, Twitter und all die anderen Plattformen. Die Frage, wie wir dem Hass in der Gesellschaft und somit auch im Internet wirkungsvoll begegnen können, wird uns also weiter beschäftigen. Und sie ist vermutlich nur mit Zivilcourage, Widerrede und gegebenfalls Anzeigen und Strafverfahren zu beantworten.

Der Vorstoß des Justizministers sieht daher zunächst ganz hübsch aus, wird aber wirkungslos bleiben. Und ich kann nur hoffen, dass er keine Nebelkerze ist, die weitere staatliche Überwachungsmaßnahmen aller Netznutzerinnen und -nutzer rechtfertigen soll.

Letzte Woche, kurz nach den Ereignissen von #Heidenau, sagte Johnny Haeusler: Danke, Twitter

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