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Neues vom Admin / Lasst selbstfahrende Autos endlich auf die Straße!

von Armin Hempel
Admin Armin findet, dass Gesellschaft und Politik für die Einführung autonomer Fahrzeuge bereit sein müssen — und das bitte, bevor Google und Konsorten mit der Entwicklung fertig sind.

Google hat den zweiten Bericht zum Voranschreiten der Entwicklung seiner Flotte von selbstfahrenden Autos veröffentlicht. Diese haben seit 2009 1,6 Millionen Kilometer zurückgelegt und wurden dabei in 14 Unfälle verwickelt. Ein kleines, aber wichtiges Detail: Keiner davon wurde durch die Fahrautomatik verursacht. Vergleichen wir das doch mal mit mir: Seit 1998 — also etwa zehn Jahre länger als Google — sitze ich regelmäßig im Auto und bin in dieser Zeit etwa 300.000 Kilometer gefahren. Das ist zwar etwas mehr als der deutsche Pro-Kopf-Durchschnitt, aber nur ein Fünftel der Strecke, die Google mit autonomen Fahrzeugen innerhalb von sechs Jahren bewältigt hat. In dieser Zeit habe ich keinen einzigen Punkt in Flensburg kassiert, war dafür aber an acht Verkehrsunfällen beteiligt. An dreien davon war ich schuld. Brenzlige Situationen, die zum Glück glimpflich ausgegangen sind, gab es mit Sicherheit mehr als hundert — genau kann ich das nicht sagen, denn ich vergesse sie gerne und schnell.

Meine Unfälle wären einem selbstfahrenden Auto auf keinen Fall passiert. 

Meine Straßenverkehrsbilanz zusammengefasst: Eine Menge Blechschaden und zwei Todesopfer: ein Hund und ein Eichhörnchen. Zweimal waren die Tiere Ursache des Unfalls, nur einmal meine Unachtsamkeit und ein zu langer Blick auf das Smartphone-Display. Eines ist aber klar: Diese Unfälle wären einem selbstfahrenden Auto auf keinen Fall passiert. Was ihnen darüber hinaus nicht passiert: alkoholisiert fahren, die Teilnahme an illegalen Straßenrennen, sich beim Sicherheitsabstand verschätzen, Vorfahrtvergehen, altersbedingte Fahruntauglichkeit, Drogenkonsum, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Berlins Radlergemeinde würden unter Garantie aufatmen, wenn sie sich ab sofort sicher sein könnte, dass rechts abbiegende Autos sie im Blick haben. Und ganz sicher lässt sich ein selbstfahrendes Auto nicht im Mindesten von einem eingehenden Anruf ablenken — telefoniere ich am Steuer, fahre ich zwar gefühlt sicher, kann mich danach aber an den Fahrtverlauf nur noch bruchstückhaft erinnern. Das Aufmerksamkeitsdefizit ist erwiesen, Freisprechanlage hin oder her.

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Selbst Auffahrunfälle wie in diesem kürzlich veröffentlichten Video aus der Sicht der Google-Sensorik könnten verhindert werden, indem das Fahrzeug den von hinten herannahenden Verkehrsteilnehmer bemerkt und ihn durch eine Rückwärts-Lichthupe und ein akustisches Signal warnt.

Aber die Vorteile selbstfahrender Autos nur auf die erhöhte Verkehrssicherheit zu reduzieren, wird dem riesigen gesellschaftlichen Potential, das diesen innewohnt, nicht gerecht. Der Besitz von eigenen Fahrzeugen würde zunehmend überflüssig und damit zum Hobby, ähnlich einer Oldtimer-Leidenschaft. Die Blechschlangen am Straßenrand würden nach und nach verschwinden, Car-Sharing-Dienste an Attraktivität gewinnen.

Das Einzige, was mich momentan daran hindert, mein Auto zu verkaufen und mich voll auf Leihwagen zu verlassen, ist der ständige Mangel an Fahrzeugen in meiner Umgebung. Zu oft kann ich in Berlin-Kreuzberg kein Auto im Umkreis von einem Kilometer finden, vor allem dann nicht, wenn ich es gerade eilig habe. Würde mich mein Auto morgens einfach zur richtigen Uhrzeit vollgetankt und angewärmt erwarten, mich dann stressfrei zur Arbeit bringen und obendrein noch den Parkplatz für die Kollegen frei machen — ich wäre der Erste, der ein Jahresabo für diesen Service abschließt!

Die Fahrzeuge zeichnen ohnehin das komplette Verkehrsgeschehen auf.

Die neuerdings immer wieder heraufbeschworene Angst vor Verkehrs-Rowdies, die sich das defensive Fahrverhalten autonomer Autos zunutze machen würden, um selbst noch riskanter fahren zu können, ist meines Erachtens Unsinn. Die Fahrzeuge zeichnen ohnehin das komplette Verkehrsgeschehen auf — warum nicht auch in einer Art Blackbox, um einerseits bei Unfällen schneller die Schuldfrage klären zu können, andererseits, um genau solche Verkehrssünder bei Bedarf beweiskräftig belangen zu können? Abstandsvergehen, riskante Spurwechsel und Rotlichtverstöße: Nervige Verkehrsteilnehmer würde eine Flotte autonomer Fahrzeuge mittels erdrückender Beweislast schnell zu einem Relikt der Vergangenheit machen.

Wir brauchen eine verbindliche Ethik für selbstfahrende Autos.

Die Versicherungen sind bereits im Boot, auch Hersteller gibt es zur Genüge. Allerdings: Wenn Google grünes Licht gibt, will ich nicht noch zehn Jahre warten müssen, bis die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen sind. Ethische Probleme mit autonomen Autos existieren ohne Frage, wir könnten aber schon jetzt damit anfangen, sie zu lösen. Das vielzitierte Dilemma zum Beispiel, ob sich ein Assistenzsystem im Falle einer Lose-Lose-Situation dafür entscheiden sollte, besser ein Kind zu töten oder das Auto mitsamt Insassen in einen Abgrund stürzen zu lassen, kommt im normalen Straßenverkehr so gut wie nie vor. Sollte es dennoch einmal dazu kommen, sind beide Entscheidungen vertretbar und gesellschaftlich akzeptiert. Könnte ich übrigens selbst das künstliche Gewissen meines Autos justieren, würde ich es immer und ohne zu zögern auf maximalen Selbstschutz stellen.

Aber klar: Wir brauchen eine verbindliche Ethik für selbstfahrende Autos, und zwar sofort. Die Entscheidung darüber kann nicht den Herstellern überlassen werden und sie muss markenübergreifend gelten. Ein Vorschlag zum Sommerloch: Der deutsche Ethikrat sollte sich in einer seiner nächsten Sitzungen ausnahmsweise mal nicht mit Medizin und Big Data beschäftigen, sondern mit autonomem Fahren. Wir brauchen Gesetze und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit selbstfahrenden Autos in der Öffentlichkeit. Dobrindts geplante Teststrecke auf der A9, auf der „später auch vollautomatische Fahrzeuge“ fahren können sollen, kommt zu spät. Denn Google will bereits ab 2017 einsatzbereite Fahrzeuge liefern können. Den Mühlen der Verwaltung bleiben also noch zwei Jahre — die sollten sie besser nutzen! 

In der letzten Folge „Neues vom Admin“ plädierte Armin fürs Reparieren – mit den eigenen Händen.

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