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Fabu will spielen / Ja verdammt, Spielentwickler dürfen gewisse Preise verlangen!

von Fabu
Gut und billig sollen Spiele sein. Ein 5-Euro-Titel im AppStore gilt bereits als hochpreisig. Und wenn ein Indieentwickler für sein Werk eine zweistellige Summe verlangt, folgt nicht selten eine Welle der Empörung, sofern die Spielzeit nicht ebenfalls im zweistelligen Bereich angesiedelt ist. Diese „All you can eat“-Mentalität ist nicht nur kleingeistig, sondern auch respektlos.

Seitdem ich mich etwas intensiver mit der Videospielkultur auseinandersetze, neige ich vermehrt zu Augenmuskelkater: zu exzessives Rollen. Es vergeht kein Tag, an dem mitteilungsbedürftige Spielerinnen und Spieler ihr Lieblingshobby nicht zum Anlass nehmen, einen verbalen Kollisionskurs einzuschlagen. Aktuell beschäftigt beispielsweise zahlreiche Gamer die Frage, wie viel Spiel ein Spiel zu enthalten hat, damit der veranschlagte Preis gerechtfertigt erscheint. „Firewatch“ vom Indiestudio Campo Santo ist so ein Spiel, das die Gemüter erhitzt.

In den etwa vier Spielstunden bietet „Firewatch“ seinen Protagonisten Raum für Entfaltung, während der Spieler eher in die Rolle eines Beobachters schlüpft. Sowohl die verhältnismäßig geringe Spielzeit als auch das nicht kompetitiv ausgelegte Prinzip eines sogenannten „Walking Simulators“ stößt Teilen der Käuferschaft von „Firewatch“ sauer auf. Für 20 Euro könne man schließlich mehr erwarten. Mehr Spiel. Und schon rotieren meine Augen im Eiltempo. Dabei ist die Diskussion gar nicht neu. Kürzlich erst wurde impulsiv in Frage gestellt, ob Jonathan Blow und sein Team für ihr Puzzlespiel „The Witness“ denn 40 Dollar verlangen dürften. Ja, verdammt, dürfen sie.

Spiele sind Konsumgüter. Wir sollten davon absehen, das Endprodukt ausschließlich an seinem Umfang zu messen und stattdessen weitere Faktoren in die Meinungsbildung einfließen lassen. Was bei Lebensmitteln, aber auch Kleidung und Möbeln längst Gang und Gäbe ist, nämlich die Bereitschaft, Entstehungsprozesse und Qualität zu hinterfragen und zu würdigen, darf durchaus auch bei Videospielen Anwendung finden. Himmel, nein, ich fordere kein Bio-Siegel für freilaufende Indieentwickler, aber es wäre ein Anfang, die Qualität eines Spiels nicht nicht an seiner Größe festzumachen.

Wenn mir ein Spiel etwas geben konnte, ist es doch nur fair, etwas zurückzugeben.

Vielmehr sollte man sich fragen, ob das Erlebte eine persönliche Bereicherung darstellte. Wenn mir ein Spiel etwas geben konnte, ist es doch nur fair, etwas zurückzugeben: Im Fall von „Firewatch“ wären das 20 Euro und genügend Reife, dem Geld nicht lauthals hinterherzuweinen. Das ist peinlich. Wirklich. Womit ich nicht sagen will, dass Preisdiskussionen per se unterlassen werden sollten. Mich stört lediglich, einem wertigen Spiel seinen Wert abzusprechen. Nichts spricht gegen Kritik, sofern sie sachlich und reflektiert stattfindet.

Der Steam-Nutzer „Undercover Fish“ dachte in einem Forenbeitrag laut über das moralische Dilemma nach, in dem er sich befände. Ihm gefiele „Firewatch“ zwar und er wolle die Entwickler unterstützen, allerdings zöge er aufgrund der geringen Spielzeit dennoch eine Rückerstattung des Kaufpreises in Betracht. Daraufhin meldete sich Jane Ng, Lead Environment Artist bei Campo Santo, mit einem persönlichen Beitrag zu Wort, um die wenig glamourösen Umstände zu erläutern, unter denen „Firewatch“ entstand.

Das elfköpfige Team habe sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren ein winziges Büro geteilt. Das Leben nahm seinen Lauf, es gab private Tragödien, doch man trotzte den Risiken, wuchs zu einer Familie zusammen und glaubte stets ans Projekt. Deswegen mache es sie traurig, wenn Menschen sagten, „Firewatch“ sei seinen Preis nicht wert. „Undercover Fish“ zeigte sich beeindruckt und behielt das Spiel.

Manche Spiele sind wie guter Wein. Der muss atmen, sich entfalten und bedarf einer gewissen Wertschätzung vonseiten des Konsumenten. Wer nur den schnellen Rausch sucht, sollte sich vielleicht besser mit ein paar Dosen „Call of Battlefield“ abschießen. Cheers.

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