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Gastspiel: So erfinden Let's Player die „Live Show" im Internet neu

von Ultralativ
Wer packende Entertainer sucht, schaut heute nicht ins Fernsehen, sondern ins Internet! Das schreiben die Macher des YouTube-Kanals Ultralativ in ihrem Gastbeitrag für die WIRED Story-Shots. Sie erklären, wie tausende Spiele-Nerds im Netz das Prinzip „Live-Show“ neu erfinden – und damit eine ganze Industrie auf Trab halten.

Der 26-jährige Internet-Star Amaz lässt gerne die Tür offen stehen, während er vor tausenden Zuschauern ein Computerspiel zockt. Der junge Entertainer aus Hong Kong weiß: Viele seiner Fans auf der Video-Plattform Twitch und auf YouTube regen sich leidenschaftlich darüber auf, der dunkle Gang im Bild stört ihr Auge. Aber Aufregung ist gut. Sie kurbelt die Kommentare zu Amaz Videos an. Und je aktiver die Zuschauer, desto bekannter wird er. Mit dem Fantasy-Game Hearthstone, Amaz einzigem Spiele-Angebot, hat das wenig zu tun. Sowieso lieben die Fans den Let's Player nicht, weil er so grandios spielt. Sie lieben ihn, weil er ganz gut spielt – und ein Großmaul ist.

Der junge Hardcore-Spieler hat es zu einiger Prominenz im Internet geschafft, und damit verdient er seinen Lebensunterhalt. Er ist das prototypische Beispiel für eine neue Art von Entertainer – entstanden aus einer Symbiose zwischen Computerspiele-Entwicklern, Video-Plattformbetreibern und Zuschauern im Internet. Das Genre „Let’s Play“, also das Videospielen vor Live-Publikum, bewirkt im Netz eine eigentümliche Renaissance der Live-Show mit Moderator.

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Spieler wie Amaz produzieren jeden Tag Streams. Stundenlang hocken sie vor einer Kamera, chatten mit Fans und spielen eine Runde nach der anderen gegen meist anonyme Gegner. Häufig erklären sie ihre Strategien, manchmal reden sie über ihren Alltag, immer sind sie mit Hingabe dabei. Tausende sehen ihnen live auf Twitch zu, für hunderttausende schneiden Let's Player ihre Videos noch einmal als YouTube-Version zusammen. Diese Verwertungskette lässt sie live und on demand als ständige Online-Eminenzen erscheinen. Ein Psychologe würde wohl sagen: Als Freunde, die immer da sind.

Gronkh benutzt ein Spiel als Bühne. Das liebt er, das lieben seine Zuschauer, das lieben die Entwickler

Die Spiele selbst treten dabei häufig in den Hintergrund. Was da auf Portalen wie YouTube oder Twitch gezeigt wird, muss nicht einmal gut sein, ganz im Gegenteil. Es ist häufig unterhaltsamer zu sehen, wie ein Let’s Player sich durch eine spielerische Katastrophe quält. Hauptsache sein Charakter und seine Kommentare stimmen.

Auch Gronkh, der vielleicht bekannteste deutsche Vertreter der Let’s-Player-Zunft, ist nicht erfolgreich geworden, weil er besonders professionell spielt. Er hat eine einmalige und für viele tausende Zuschauer offenkundig grundsympathische Art. Gronkh erlangte Bekanntheit, indem er das Bauklötzchen-Spiel Minecraft spielt. Es bietet ihm die perfekte Möglichkeit, seine Persönlichkeit einem Publikum zu präsentieren. Die offene Welt des Spiels ist sozusagen seine Bühne. Auf ihr erschafft er seine eigene Geschichte, die er beeinflussen und ändern kann, wie er will. Das liebt er, das lieben seine Zuschauer, und das lieben die Entwickler des Spiels.

Minecraft zeigt damit die oben genannte Symbiose besonders gut. Während Let’s Player anfingen, ganze Kanäle rund um das Spiel aufzubauen, gingen die Verkaufszahlen des Spiels durch die Decke. Immer mehr Menschen stürzten sich in den bekannter werdenden pixeligen Sandkasten und dadurch interessierten sich noch mehr Menschen für die Let’s Player. Einfach ausgedrückt: YouTube wuchs an Minecraft und Minecraft wuchs an YouTube.

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Das bleibt nicht ohne Folgen. Wo starkes Wachstum ist, droht oft auch Übersättigung. Für neue Let’s Player ist es mittlerweile schwierig geworden, ihre Videos an die Zuschauer zu bringen. Der Qualitätsdruck und der Kampf um die Aufmerksamkeit der User ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Das begünstigt kürzere, schnellere Videos. Leicht verträgliche Formate wie BibisBeautyPalace oder Casey Neistat haben eine größere Zielgruppe und bekommen mittlerweile mehr Aufmerksamkeit.

Auch die Let’s Plays selbst haben sich dadurch verändert: Anstatt lange serielle Formate zu produzieren, schneiden viele Spieler ihre Gaming-Videos zusammen. Vorbild dafür sind internationale YouTube-Größen wie Pewdiepie oder JackSepticEye. Deren Videos sind schneller geschnitten und stellen eher ein Best-of dar, das sie mit Facecams, Zooms, Schrift, Effekten und Memes aufpeppen. Andere Let’s Player haben begonnen, ihr Repertoire vom Spiel wegzuentwickeln, etwa Felix von der Laden, der beinahe komplett auf Lifestyle-Videos umgestiegen ist.

Das bedeutet aber nicht, dass das klassische Let’s-Play tot ist. Es hat sich vielmehr in den immer größer werdenden Markt des Streamings verschoben. Das ist auch der Grund, warum Gronkh und Amaz hauptsächlich auf der Livestreaming-Plattform Twitch spielen, und YouTube ihnen eher zur Zweitverwertung dient. Let’s Plays mögen dadurch ihre einstige Größe einbüßen und sich verändern, aber aus ihnen ist eine neue Generation des Moderation-Stils hervorgegangen, die eine gesamte Streaming-Kultur prägt, sei es auf YouTube oder sonst wo. Wie Amaz sagen würde: Amaaazing.

Die Autoren Paul und Fynn machen auf YouTube den Kanal Ultralativ. Dort kommentieren sie wöchentlich in eigenen Videos die positiven und negativen Phänomene der Webvideo-Szene. 

Dieser Artikel ist Teil der WIRED Story Shots – Denkanstöße zu den wichtigsten Fragen der Digitalisierung. Diese Woche: Let’s Play – sind einige Spiele-Nerds im Internet in Wahrheit Teil einer Entertainment-Revolution?

Teil 1
Scheiß auf Fernsehen, schaut PietSmiet – über einen Kampf um Sendefreiheit
Teil 2
Guest-Shot: Gegen Let’s Player haben TV-Showleute keine Chance mehr!
Teil 3
Was bedeutet der Erfolg von Deutschlands größtem Internet-Sender „Rocket Beans TV“?

Teil 4
Kommentar eines Gamers: Interessieren sich Let's Player überhaupt noch für ihre Spiele?!
Teil 5
Werden YouTuber wie Rewinside zum nächsten Thomas Gottschalk?
Teil 6
Live-Streams entwickeln sich zum interaktiven Teleshopping!

+++ In den vergangenen Story Shots behandelten wir das Thema: Mega-Mensch – Wie verschmelzen wir mit der Technologie? +++

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